Dr. Susanne Kolter
Kleidsam. Mechthild Jülicher/ Objektkunst


Sr. Katharina Kluitmann
Impulse zur Ausstellung "ohne berechnung" in der Überwasserkirche
Impuls 2 und 10


das KREUZ das WORT das RÄTSEL


Antje Soléau: Ich versuche, meinen Namen auf das Wasser zu schreiben
textilkunst international, 4/2017


Susanne Klinke: das KREUZ das WORT das RÄTSEL - Zu einer textilen Kreuzweginterpretation von Mechthild Jülicher
textilkunst international, 1/2017


Susanne Klinke: Close to Cloth  -  Kleider-Bilder von Mechthild Jülicher

textilkunst international, 2/2011


Siegmar Syffus:
Persönliche Sorgen und Nöte am Kreuz abladen

März 2020



Dietrich Harhues:

„Anstößige“ Krippe

– Jesuskind zwischen Waagschalen, 2016

 

Das kleine Einmaleins der Krippenlehre kennt jedes Kindergartenkind. Man nehme Maria und Josef, ergänze zu Heiligabend das Jesuskind, lasse die heilige Familie von Hirten und Schafen säumen und von den Königen aus dem Morgenland beschenkt werden. Diese Szene im Stall von Bethlehem ist tief verankert im christlichen Bewusstsein.
Auch für Mechthild Jülicher, die das traditionelle Motiv zu Christi Geburt selbst wertschätzt. Doch ihre künstlerische „Rechenkunst“ hat sie längst über das Einmaleins von Ochs und Esel, Stroh und Sternen hinaus befördert.
Was die Sendenerin in der St. Urban-Kirche zeigt, bricht mit den Gewohnheiten. Der Kontrast könnte kaum größer sein – zwischen der großen und der kleinen Krippe, die sich in dem Ottmarsbocholter Gotteshaus begegnen.
Mechthild Jülicher hat ausgeräumt, verdichtet, reduziert. Was bleibt, ist das Jesuskind, das, streng symmetrisch und waagerecht ausgerichtet, zwischen zwei Schalen hängt. Es baumelt nicht, es fixiert die Waag- schalen, die vom Jesuskind in die Balance gebracht werden.
„Jesu Botschaft an uns ist die Ausgewogenheit, die Ausgeglichenheit“,

 

 

 

 

bringt die Künstlerin einen Schlüssel zur Deutung ihres Werkes. Jesus habe vorgelebt, wie die negativen und positiven Eigenschaften in Einklang gebracht werden können. „Er ist Vorbild und traut uns zu, es ihm gleichzutun“, erklärt Jülicher. Als Hoffnungsträger, der den Menschen die Last abnimmt, sich für Nächstenliebe und Frieden einzusetzen, dürfe das Jesuskind aber nicht verstanden werden.
Was die guten und schlechten Pole sind, zwischen denen Christus ausgleicht, hat die Künstlerin konkretisiert: In beiden Schalen liegt ein Band, bestickt mit positiven beziehungsweise negativen Begriffen. Die Kirchenbesucher dürfen gerne zugreifen und lesen, animiert Jülicher zur Auseinandersetzung mit der Darstellung.
Den Impuls, sein eigenes Leben zu reflektieren, hebt Klemens Schneider an der künstlerischen „Krippen-Skulptur“ hervor. Der St.-Laurentius-Pfarrer nennt sie eine „anstößige“ Arbeit. Geradezu eine Provokation, will sie dazu anregen, „dass sich jeder fragt, was er selbst mit seinem Leben in die Waagschale wirft.“

Eine Frage, der wohl niemand ausweichen kann, erst recht nicht zu Weihnachten.